Wohnraumlenkung

Erfassung und Verteilung des Wohnraums aller Eigentumsformen durch staatliche Organe

Trotz großer Anstrengungen blieben Wohnungssuche und Wohnraumvergabe in der DDR immer ein Problem. Wohnraum war nicht nur deshalb knapp, weil nie genug bedarfsgerechte Wohnungen zur Verfügung standen, sondern auch, weil die Raum- und Wohnungsgrößen relativ gering waren. So waren um 1985 Wohnungen in der BRD durchschnittlich um 34 Prozent größer als in der DDR (78 zu 58 qm Durchschnittsgröße); wo einem Bundesbürger durchschnittlich 32 qm Wohnfläche zur Verfügung standen, mußte sich ein DDR-Bürger mit 23 qm begnügen.
Die Wohnverhältnisse waren also überwiegend beengt, und sie blieben es auch, als 1978 ein statistischer Gleichstand zwischen dem Wohnungsbestand und den rd. 6,7 Mio. Haushalten in der DDR ermittelt
wurde. Jahrelange Wartezeiten für Wohnungssuchende, insbesondere für junge Leute, die einen eigenen Hausstand gründen wollten, blieben bis zuletzt häufig die Regel.
Die Wohnungsvergabe - in der DDR als »Wohnraumlenkung« bezeichnet - wurde auf der Grundlage des ›Zivilgesetzbuches der DDR‹ von 1975 gehandhabt und war speziell durch »Verordnungen über die Lenkung des Wohnraumes« geregelt, die der  Ministerrat letztmalig am 16.10.1985 erlassen hatte. Danach hatten die Abteilungen für Wohnungspolitik bei den örtlichen Räten (›Rat des Bezirks‹, ›Örtliche Volksvertretungen‹) über Wohnungsanträge zu entscheiden, indem sie die Aufnahme und Plazierung des Antrages auf Vergabeplänen sowie die Zuweisung von Wohnungen nach »Wohnungsbelegungsnormen« verfügten. Die vorab festgelegte Normalität sah für einen Einpersonenhaushalt auch nur eine Einraumwohnung vor; Haushalte von 3 bis 4 Personen hatten i. d. R. Anspruch auf Zwei-, Zweieinhalb- oder Dreiraumwohnungen.
Die Abteilungen ›Wohnungspolitik‹ entschieden über die Vergabe von »volkseigenem« wie privatem Wohnraum; Wohnungen der AWG vergaben sie in Abstimmung mit staatlichen Stellen. Weiterhin hatten diese Abteilungen über die freien Wohnraumkontingente zu entscheiden, den vielfach privat in die Wege geleiteten Wohnungstausch zu genehmigen sowie über den Um- oder Ausbau von Wohnungen und den Bau von Eigenheimen zu entscheiden. Bei ihren Entscheidungen stützten sich die Abteilungen auf ehrenamtliche ›Wohnungskommissionen‹, die auf Vorschlag der Ausschüsse der ›Nationalen Front‹ von den Vorsitzenden der örtlichen Räte berufen wurden.
Für die Arbeit in diesen Kommissionen sollten solche Bürger ausgewählt werden, die »hohe Arbeitsmoral, gesellschaftliche Aktivität und menschliche Reife« bewiesen hatten.
Da »Wohnraumlenkung« Mangelverwaltung bedeutete, waren ihr Prioritäten gesetzt: Rechtsvorschriften legten z.B. fest, daß ›Verfolgte des Naziregimes‹ und deren Hinterbliebene (›Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes‹) sowie Familien mit mehr als drei Kindern vorrangig mit Wohnraum zu versorgen waren; auch Anträge von Personen, die sich
»besondere Leistungen für den Aufbau des Sozialismus« zugute halten konnten, sollten vorzugsweise behandelt werden. Aber die Versorgung der Industriebetriebe mit Arbeitskräften und Spezialisten gab - insbesondere dort, wo im Dreischichtsystem gearbeitet wurde - vielfach Anlaß, die Reihenfolge der Wohnungsanwärter zu verändern. Wo die Belange der ört-
lichen Wirtschaft tangiert wurden, nahmen auch die  ›Betriebsgewerkschaftsleitungen‹ Einfluß auf die Verteilung von Neu- und Altbauwohnungen. Planung und Lenkung konnten jedoch nicht verhindern, daß viele jahrelang leer ausgingen; eine Folge davon war, daß sich in den großen Städten der DDR eine ausgeprägte Wohnungstauschkultur entwickelte. Um die Wohnungszuteilung zu beschleunigen, galten Eingaben an den 1. Sekretär der zuständigen SED-Bezirksleitung als probates Mittel. Vornehmlich dann, wenn eine Wahl zur Volkskammer bevorstand, drohten Genossen und Nichtgenossen, nicht zur Wahl zu gehen, wenn ihr Wohnungsproblem nicht endlich gelöst würde. Damit hatten sie tatsächlich in sehr vielen Fällen Erfolg. Eine andere Möglichkeit  ergab sich, als in den 80er Jahren verfügt wurde, wer
dem Wohnungsamt eine Wohnung als leerstehend nachweise, könne diese beziehen. Da es inzwischen ein offenes Geheimnis war, daß die Behörden keinen genauen Überblick über den vorhandenen Wohnraum
hatten und sich auch nicht sonderlich mühten, ihre Kenntnisse zu verbessern, suchten viele hier ihre Chance. Junge Paare, die in der elterlichen Wohnung notgedrungen Unterschlupf gefunden hatten, zogen
nun durch die Berliner Hinterhöfe, wo sie oft in wenigen Tagen gleich Dutzende von scheinbar unbenutzten Wohnungen entdeckten. Einige davon wurden aber vom MfS für konspirative Treffs benötigt und sollten verständlicherweise nicht ins Gerede kommen; andere waren baupolizeilich gesperrt; für wieder andere wurde regelmäßig die Miete überwiesen, weil inzwischen verzogene Bewohner gern den geringen
Preis zahlten, um eine Wohnung »in Reserve« zu halten. So fiel also die Ausbeute der »Wohnungsdetektive« am Ende stets sehr viel geringer aus, als sie zunächst gehofft hatten.

[Lexikon der Organisationen und Institutionen: Wohnraumlenkung, S. 1 ff. Digitale Bibliothek Band 32: Enzyklopädie der DDR, S. 10253 (vgl. DDR-Org. u. Inst., S. 1196 ff.) (c) 1994 by Rowohlt Taschenbuch Verlag]
 

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Die "Platte" war neben dem "Trabant" sicher eines der bekanntesten Produkte der DDR.

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Hier ein paar Auszüge aus den Garantiebestimmungen für "Unsere Neubauwohnung" aus Karl-Marx-Stadt.

 

 

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